Wenn im Frühsommer über Tirols Bächen und Flüssen zarte Insekten tanzen, dann handelt es sich oft um Eintagsfliegen. Ihr Name ist irreführend, denn obwohl die erwachsenen Tiere tatsächlich nur kurz leben, spielt die Eintagsfliege eine große und dauerhafte Rolle im Ökosystem unserer Gewässer – und auch für uns Fischer.
Ein kurzer Auftritt – aber ein langes Leben unter Wasser
Eintagsfliegen (Ephemeroptera) gehören zu den ältesten und ursprünglichsten Ordnungen von noch lebenden Fluginsekten. Während die erwachsenen Tiere – die sogenannten Imagines – nur wenige Stunden bis wenige Tage leben, verbringen ihre Larven, die Nymphen, viele Monate oder sogar Jahre unter Wasser. Die Larven leben auf der Unterseite von Steinen, zwischen Wasserpflanzen oder im Sediment. Dort ernähren sie sich als sogenannte “Weidegänger” von feinem Detritus, Algen und Mikroorganismen.
Merkmale
Eine Eintagsfliegenlarve genau zu bestimmen ist gar nicht so einfach, weltweit existieren ca. 344 verschiedene Arten, davon auch zahlreiche verschiedene in Tirol – von kleineren Arten in Quellbächen bis zu größeren Exemplaren in den Inn-Auen. Die Eintagsfliegen besitzen jedenfalls drei Beinpaare, an deren Enden jeweils eine kleine Kralle sitzt. Am Hinterleib tragen sie feine Kiemenblättchen, mit denen sie ständig Wasser über ihren Körper leiten. Dabei nehmen sie den im Wasser gelösten Sauerstoff auf, um ihren Körper zu versorgen. Weil sie für diesen Austausch sauberes, sauerstoffreiches Wasser brauchen, reagieren sie sehr empfindlich auf Verschmutzungen. Ein unsicheres Erkennungsmerkmal sind entgegen häufiger Meinung die Hinterleibsfäden: Eintagsfliegen können zwei oder drei davon besitzen – Steinfliegenlarven besitzen immer nur zwei.

Besonders häufig in Tirol sind Eintagsfliegen aus den Familien der Heptageniidae und Baetidae – mit der häufigsten Tiroler Eintagsfliegenart: Baetis alpinus. Diese besitzt als besonderes Merkmal 3 Hinterleibsfäden, wovon der mittlere jedoch deutlich kürzer ist als die anderen beiden.
Vom Wasser in die Luft – der faszinierende Lebenszyklus
Nach mehreren Häutungen verlassen die Larven das Wasser. Dabei geschieht etwas Einzigartiges: Sie schlüpfen zunächst in ein sogenanntes Subimago-Stadium – ein Zwischenschritt zwischen Larve und ausgewachsenem Insekt. Nach wenigen Stunden oder Tagen häutet sich das Tier ein letztes Mal zur fertigen Eintagsfliege. Dieses kurze, meist nur wenige Tage dauernde Erwachsenenleben hat nur einen Zweck: die Fortpflanzung. Die Männchen bilden oft spektakuläre Schwärme in der Abendsonne, um Weibchen anzulocken. Nach der Paarung legen die Weibchen ihre Eier auf der Wasseroberfläche ab – und der Kreislauf beginnt von Neuem.

Eintagsfliegen als Bioindikatoren und Nahrungsquelle
Eintagsfliegenlarven sind ein zentraler Bestandteil des Nahrungsnetzes in unseren Fließgewässern. Sie dienen als Nahrung für Fische wie Bachforelle, Äsche oder Koppe. Gerade Fliegenfischer wissen, wie wichtig die genaue Kenntnis dieser Insekten ist – die Nachbildungen vieler Trocken- und Nassfliegen orientieren sich an den verschiedenen Entwicklungsstadien der Eintagsfliegen.
Jede Eintagsfliegenart hat eigene Ansprüche an Strömung, Substrat und Wassertemperatur und die Larven benötigen sauberes, sauerstoffreiches Wasser. Dies macht sie zu wertvollen Indikatoren für den Zustand unserer Gewässer. In Regionen, in denen Eintagsfliegenlarven verschwinden oder rückläufige Bestände beobachtet werden, ist das oft ein Warnsignal für Verschmutzung, Eutrophierung (Nährstoffbelastungen) oder strukturelle Veränderungen im Bachbett.
Fliegenfischen & Binden
Die Eintagsfliege ist weit mehr als nur ein zartes Insekt am Ufer – sie ist ein Symbol für sauberes Wasser, intakte Lebensräume und nachhaltige Fischerei. Wer die Eintagsfliege versteht, versteht auch ein Stück weit das Wesen unserer Tiroler Gewässer. Auch Fliegenfischer machen sich die besondere Rolle der Eintagsfliege zunutze: Als Köder dienen ihnen kunstvoll gebundene Nachbildungen der Eintagsfliege in verschiedenen Entwicklungsstadien – von der Nymphe bis hin zur ausgewachsenen Fliege. Das Fliegenbinden ist dabei beinahe eine eigene kleine Wissenschaft. Mit den folgenden Bindeanleitungen gelingt es Ihnen vielleicht, eine Forelle mit einer selbstgebundenen Fliege zu überlisten. Der Einstieg ins Fliegenbinden mag anfangs etwas Geduld erfordern, doch wer seinen ersten Fisch mit einer eigenen Fliege fängt, erlebt ein ganz besonderes Erfolgserlebnis.
Viel Freude beim Ausprobieren!


