Die Schleie – Fisch des Jahres 2024

Die Schleie war einst ein überaus geschätzter Speisefisch. Heute ist sie auf den Fischmärkten sehr selten geworden. Diese langsamwüchsige Fischart wird bestenfalls (!) in den extensiv bewirtschafteten Teichen
als „Nebenfisch“ gezogen. In Anglerkreisen ist sie keine Unbekannte, obwohl sie, Berichten zufolge, schwer zu überlisten ist: „Vorsicht“ und „Misstrauen“ werden der dämmerungs- und nachtaktiven Schleie zugeschrieben, aber auch „Anmut“.

Die Schleie bewohnte die vormals unzähligen Weiher und Tümpel der Auen sowie die sonnendurchfl uteten, krautigen und schilfbewachsenen Uferbereiche von Seen. Durch Siedlungsentwicklung und flussbauliche
Maßnahmen sind jedoch diese Lebensräume in den letzten hundertfünfzig Jahren immer mehr unter Druck geraten – oder gar verschwunden! So sind Österreichs Auen entlang der größeren Flüsse auf weniger als fünfzehn Prozent ihrer einstigen Ausdehnung geschrumpft. Viele der verbliebenen Auenfl ächen sind anthropogen verändert beziehungsweise nur eingeschränkt funktionsfähig: ein Umstand, der sich auch negativ auf die natürlichen Bestände ruhigwasserliebender (stagnophiler) Fischarten ausgewirkt hat.

Aufgrund der starken Bestandsrückgänge führt Österreichs Rote Liste der Fische aus dem Jahr 2007 die Schleie als „gefährdet“. In der Liste der (weltweit) bedrohten Tierarten der Internationalen Union zur Bewahrung der Natur (kurz IUCN) ist sie mit Least Concern (nicht gefährdet) klassifiziert.

Namensgebung und Verwandtschaft

Ihr volkstümlicher Name leitet sich vom spätmittelhochdeutschen slīhe ab und dürfte eine Anspielung auf ihre schleimige, glitschige Haut sein. Ihren wissenschaftlichen Doppelnamen Tinca tinca verdankt die Schleie dem schwedischen Naturforscher Carl von Linné, der sie 1758 vorerst noch als Cyprinus tinca katalogisierte und sie damit der Gattung der Karpfenfische zuordnete. Um die Abstammungsverhältnisse besser widerzuspiegeln, führten der britische Ichthyologe Richard Mayden und sein chinesischer Kollege Wei-Jen Chen im Jahr 2009 die Familie der Tincidæ ein. (Der französischen Zoologe François Alexandre Pierre de Garsault hatte die Schleie bereits 1764 einer eigenen Gattung zugeordnet: Tinca.)

Herkunft und Vorkommen

Die Schleie wurde, aufgrund ihrer fischereiwirtschaftlichen Bedeutung, durch Besatz besonders stark gefördert – ein Umstand, der wesentliche Auswirkungen auf ihre heutige Verbreitung gehabt hat und eine Abgrenzung ihres ursprünglichen Verbreitungsgebietes erschwert. Die Ergebnisse von phylogeographischen Untersuchungen deuten jedoch darauf hin, dass die Schleie aus drei in Glazialrefugien isolierten Populationen hervorgegangen sein dürfte und sich von dort aus nach der letzten Kaltzeit vor 11.700 Jahren über weite Teile Europas und Asiens ausgebreitet hat. Durch Besatz eingeschleppt wurde sie in Nord- und Südamerika, Südafrika, Australien und China.

Lebensraum der Schleie - Altarm am Inn
Merkmale der Schleie

Merkmale

Die Schleie hat einen kräftigen, langgestreckten Körper mit hohem Schwanzstiel. Ihre kleinen Schuppen verbergen sich unter der dicken, schleimigen Haut. Die Grundfärbung ist olivgrün bis olivbraun; ein zarter Goldglanz ziert die Flanken. All ihre Flossen sind abgerundet und ihre Schwanzflosse nur leicht eingekerbt. Die Männchen unterscheiden sich von den Weibchen (Geschlechtsdimorphismus) durch deutlich größere Bauchflossen. Schleien haben ein endständiges Maul, das bei der Nahrungsaufnahme rüsselartig vorgestülpt werden kann. Die Iris der Augen sind auffallend rot bis orange gefärbt.

Fortpflanzung

Schleien pflanzen sich in der Zeit zwischen April und Juli fort. Vor Beginn der eigentlichen Laichzeit streifen sie in kleinen Schwärmen entlang der krautigen und schilfbewachsenen Ufer. Die bis zu 300.000 klebrigen Eier
werden portionsweise (im Abstand von mehreren Tagen) an flachen, vegetationsreichen Stellen abgelegt. Innerhalb von wenigen Tagen schlüpfen die 4 bis 5 mm großen Larven und heften sich mit ihren am Kopf befindlichen Klebedrüsen an Wasserpflanzen an. Sobald ihre Kiemen funktionsfähig sind, bilden sich die Haftorgane zurück: sie beginnen mit der Jagd auf winzige Planktontiere, um schon sehr bald auf Bodennahrung überzugehen.

Schleien in unterschiedlichen Altersklassen

Nahrung

Die Schleie legt bei der Nahrungssuche beachtliche Distanzen zurück, wobei sie mit ihrem vorstülpbaren Maul den Gewässerboden nach Insektenlarven, Muscheln, Schnecken und Würmern durchwühlt. Gelegentlich ernährt sie sich auch von Wasserpflanzen und Algenaufwuchs. Damit ähnelt sie in ihren Fressgewohnheiten dem Karpfen. Treten die beiden in direkte Nahrungskonkurrenz zueinander, ist die Schleie dem weitaus aktiveren Karpfen meistens unterlegen.

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